Natürlich ist es in Deutschland möglich, auf Funktionärsebene Lobbyarbeit zu betreiben. Gute Kontakte zu den zuständigen Ministerien, deren nachgeordneten Behörden und/oder politischen Kreisen ermöglichen zahlenmäßig viel kleineren Gruppierungen als wir Sportschützen es sind, ihre Interessen nachhaltig und erfolgreich zu vertreten. Das mag auch im Schießsport mal so gewesen sein. Heute sind wir aber meilenweit von einem solchen Szenario entfernt.
Unser spezielles weiteres Schicksal wird nicht mehr evolutionär durch die Arbeit der Fachbehörden bestimmt, sondern revolutionär durch den vermeintlichen und/oder tatsächlichen Druck der Massen. Durch den Eifer der Einzelnen, sich 'politisch korrekt' (bzw. was man dafür hält) zu zeigen, durch Ideologie und Parteiräson und letztlich durch Nachahmungseffekte bzw. Trittbrettfahrer wird die Sogwirkung immer größer.
Die Entscheidung für oder gegen unseren Sport wird maßgeblich durch die öffentliche Meinungsbildung bestimmt. Jene wird ganz wesentlich durch die Medien geprägt, in denen wir selbst nur im Wege (im Idealfall wohlwollender) Berichterstattung auftreten. Wir tun wenig, um uns selbst aktiv zu präsentieren und zu behaupten - ganz im Gegensatz zu denjenigen, die uns unseren Sport nicht mehr gönnen wollen.
Weiterhin im Dialog? Ja, natürlich! Allerdings ist die Wirkung des Dialogs einzelner begrenzt, gerade wegen der der schon jetzt erreichten Vehemenz und Breite der Ablehnung. Gegen auf breiter Flur bereits gefestigte Meinungen anzukommen ist schwierig. Waffenrecht ist zudem komplex, Sport mit Waffen zudem für viele befremdlich, was die Verständigung noch weiter erschwert.
Dialog ist wichtig, sogar sehr wichtig im Innenverhältnis. Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen potentiellen Mitstreiter zu verlieren. Es gilt, die Massen aus den eigenen Reihen zu mobilisieren, jenes dürfte aber ungleich schwieriger sein, wenn wir auf die Betroffenen verbal einprügeln oder diesen gar vorhalten, sie wollten es nicht verstehen.
Es hat nichts mit fehlendem Wollen zu tun, sie verstehen es überwiegend wirklich nicht. Die Wahrnehmung ist - nach meinen Beobachtungen - eine ganz andere. 'Auf dem Dorf' mag nach wie vor der Eindruck vorherrschen, Existenzängste seien unbegründet und der Sport hätte viele Anhänger und großes Ansehen. Die Tragweite der Angriffe gegen den Sport ist dort gar nicht ersichtlich. Soweit ein Ereignis zufällig bekannt wird, erscheint es singulär, räumlich weit entfernt und/oder wegen einer anderen Disziplin oder Waffengattung nicht relevant. Umfang und Zusammenhänge werden schlichtweg nicht sichtbar.
Von den Informationen, die bspw. hier im Forum ausgetauscht werden, kommt in den meisten Vereinen und bei den meisten Betroffenen nichts an. Nur wenige machen sich überhaupt die Mühe, sich solche Informationen zu erschließen. Die Sachlage ist komplex, die Informationsvermittlung ist häufig völlig unstrukturiert und erfolgt tw. in überaus abschreckendem Tonfall. Dies kann schlimmstenfalls dazu führen, dass potentiell sensibilisierbare Personen abgeschreckt und vergrault werden. Nur wer die Fähigkeit und Gelassenheit besitzt, Sachbotschaft und emotionale Komponente zu trennen, wird auf längere Zeit überhaupt folgen wollen. Hier sollten wir an uns arbeiten.
Für den Dialog nach außen bedarf es des zahlenmäßigen Gewichts aller Sportschützen, reine Funktionärsarbeit reicht in unserem Fall dafür schon lange nicht mehr aus. Liebe (Verbands-)Funktionäre, ich gehe davon aus, Ihr und wir haben gemeinsam keine Chance, wenn Ihr nicht alsbald geeignete Maßnahmen ergreift. Eine Offenlegung der Situation, eine Auseinandersetzung mit derselben, das Entwickeln einer geeigneten Strategie unter Einbeziehung der übrigen Verbände und des politischen Gewichts aller Mitglieder sowie eine offensive positive professionelle Selbstdarstellung des Sports erscheint mir wichtig. 'Alternativlos' würde der Politiker sagen ...
Nochmals zum Umgang miteinander: wir können es uns nicht leisten, auf Mitglieder, Disziplinen, Waffengattungen oder Verbände zu verzichten. Jeder Verlust führt zu einer Schwächung des gesamten Sports und hat unmittelbare Konsequenzen. Zur Existenzsicherung bedarf es in jeder Funktionseinheit einer Mindestzahl von Mitgliedern, Beitragszahlern o.ä.. Jeder einzelne, der wegfällt, reduziert die Chance des Fortbestehens für die Verbleibenden. Die bekannten strukturellen Defizite sind schlimm genug.
Verzerrte Wahrnehmung? Mag sein, dass ich darunter leide. Diese Prüffrage mag sich aber jeder selbst stellen. Man mache sich aber die Mühe und beachte die Großwetterlage. Dabei kann man feststellen, dass sich ein sehr heftiges Unwetter über uns zusammen gezogen hat.
Es ist spät, sehr spät.
Ich kann mich natürlich irren. Es wäre schön.