Verbandsstrukturen von morgen?

  • Was unterscheidet die Verbandsstrukturen von heute und die Verbandsstrukturen von morgen? Vielleicht gerade die Möglichkeit den Kontakt zur Basis aufzubauen und auzubauen. Ich denk das war noch nie so einfach wie heute.

    Gerhard Seemüller

    „Great minds discuss ideas;
    average minds discuss events;
    small minds discuss people.“

  • Verband ins Visier genommen (Nordsee-Zeitung)
    Dem Nordwestdeutschen Schützenbund droht die Zerreißprobe: Die Mehrzahl der 86 Schützenvereine im Bezirksverband Bremerhaven-Wesermünde will ihre Verbandsmitgliedschaft kündigen. Enttäuscht von der „Informationspolitik seines Verbandes“ plädiert Bezirkspräsident Jürgen Wintjen für einen Wechsel. Stein des Anstoßes ist ein neues Landesleistungszentrum für Sportschützen, das der Nordwestdeutsche Schützenbund in Bassum (25 Kilometer südlich von Bremen) aufbauen will. Das alte, ebenfalls in Bassum, habe den sportlichen Anforderungen nicht mehr genügt, sagt Jonny Otten, Präsident des Nordwestdeutschen Schützenbundes.

    Sollte der Artikel in den nächsten Tagen nicht mehr abrufbar seit, kann jeder User, der sich den Artikel gerne durchlesen möchte, mir eine Nachricht schicken. Danach erhält er dann den Artikel in schriftlicher Form.

    Gruß

    Queel

    2 Mal editiert, zuletzt von Queel (2. Februar 2011 um 21:30) aus folgendem Grund: Die meisten Texte und Bilder dürfen nicht ohne Zustimmung des Urhebers verwendet werden. Ein kurzes Zitat mit Quellenangabe ist meist rechtlich unbedenklich. Es darf jedoch zwei oder drei Zeilen nicht deutlich überschreiten.

  • Das sieht mir schon nach einem riesigen Problem aus. Einige Punkte, die wir hier auch schon angesprochen haben, kommen darin zumindest nach Lektüre des Artikels auch zum Vorschein. Was mich verwundert, ist, wie ein Bezirk meint, er müsse sich gegen seinen Verband stellen, wo er doch nur Gliederung und Teileinheit dieses Verbandes ist. Aber ich kann die Sache jetzt erst mal nur als Außenstehender beurteilen.

    Hat keiner Lust, das mal zu diskutieren?


    Mit bestem Schützengruß

    Frank

  • Murmelchen

    wie du dir sicherlich denken kannst sind queel und ich nur zu gerne bereit das zu diskutieren, bzw wir sind da mehr oder weniger direkt betroffen, ist halt unser Bezirksverband.

    Unser Präsi hat eigendlich ganz gute ansätze gebracht, Jugendsprecher teil des Vorstandes, usw.
    ABer mit dem hier schießt er den Bock wirklich ab.

  • Was mich verwundert, ist, wie ein Bezirk meint, er müsse sich gegen seinen Verband stellen, wo er doch nur Gliederung und Teileinheit dieses Verbandes ist.

    Das ist in Deutschland nicht ganz einheitlich. Im Nordwestdeutschen Schützenbund sind die Untergliederungen wohl rechtlich selbständig als eigene Vereine. So auch der hier betroffene Bezirksverband.
    In Hessen ist das nicht so. Dort sind die Schützenkreise und Schützengaue rechtlich unselbständige Untergliederungen des Landesverbands. Rechtlich gesehen könnte einer der 47 Schützenkreise dort gar nicht aus dem Verband austreten und wechseln. Ein Kreis- oder Gauvorstand, der sich in Hessen so gegen den Verband wenden würde, wäre seinen Posten wohl recht schnell los ;). Diese Strukturen machen die Informationspolitik des Hessischen Schützenverbands aber keinesfalls besser.

  • Auch im Gebiet 'Süd' des RSB wird über einen Verbandswechsel nachgedacht. Hier die Information des Fachverbands Sportschießen Rheinhessen. Ob - und ggf. mit welchem Ausgang - Gespräche mit den Leitungen beider Verbände geführt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Sicher ist unser Verband zumindest räumlich weit weg von uns. Bei manchen Argumenten pro Wechsel mache ich mir allerdings ernsthafte Sorgen über die Zukunft unseres Sports. 'Lange Wege', 'hohe Kosten', 'hoher Zeitaufwand' - all das hatte ich vereinsintern (in meinem alten Verein) schon gehört. Woher kommt bloß dieser Leidensdruck? Wer unseren Sport als Freizeit- und Gelegenheitssport betreibt, der wird zu nichts gezwungen. Wer sportlich etwas erreichen will, der ist i.d.R. auch bereit, dafür etwas Zeit und Geld zu investieren. Mein Gott, wir reden nicht über die eigenfinanzierte Anreise zu einer Weltmeisterschaft auf einem anderen Kontinent ...

    'Mehr Freiraum für die Familie, allgemeiner Zuwachs von Freizeit.' - ja, ein solches Bedürfnis gibt es wohl auch unter Sportschützen. Früher dachte ich nur an die Differenzierung zwischen Breiten- und Leistungssport. Heute weiß ich, dass die Spanne viel weiter ist: Freizeit- / Breiten- / Leistungs- / Hochleistungssport. Das Schöne ist, dass sich jeder selbst positionieren kann und nur sich selbst gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Niemand muss an Wettkämpfen teilnehmen, wenn ihm die Belastungen zu groß sind.

    In Bezug auf die zukünftige Verbandspolitik hoffe ich, dass nicht nur das untere Ende der Bandbreite sportlicher Ausrichtung bedient wird.

    Jede Schießsport-Disziplin hat ihre Existenzberechtigung. Zusammenhalt ist wichtig - über die Grenzen von Disziplinen und Verbänden hinweg.

  • Als neuer Teilnehmer (neu allerdings nur in diesem Forum), der von Berufs wegen auch öfters verschiedene Schießsportverbände berät, hier als Einstand und vielleicht Anregung zum weiteren Gedankenaustausch der Auszug eines Chat-Gesprächs, das ich gestern abend geführt hatte. Das Thema als solches ist seit Ende der 1990er Jahre schon vielfach erörtert worden und ist den Landessportbünden wohl bekannt; die Schießsportverbände verschließen allerdings [noch] weithin hartnäckig die Augen.

    [You]
    Aber mir geht es um etwas ganz Anderes, und sehr Wichtiges.
    Den PARADIGMENWECHSEL weg vom klassischen, sehr statischen, auf Jahre und Jahrzehnte angelegten "Ehrenamt" (= "Ehre" & "AMT") ...

    [L]
    Dass es nicht mehr ehrenamtlich, sondern freiwillig geschieht.

    [You]
    ... hin zu volunteerism, wie es so überaus beliebt und sehr erfolgreich in den USA vorherrscht.
    Genau! :)
    Freiwillige Mitarbeit. Das kann das freiwillige Einbringen besonderer individueller Teilkompetenzen bedeuten, kann auch einfach heißen; diese Woche mache ich mal 2 Stunden was für den Verein, egal was anliegt. Oder es kann ein Projekt sein.

    [L]
    Ja. Wie zum Beispiel jeden 1. Sa im Monat den Büchereidienst übernehmen. Auch wenn ich da selbst einen Vorteil daraus habe. :)

    [You]
    Ja. Aber sich nicht für die nächsten vier Jahre zum "Büchereiwart" wählen lassen.

    [L]
    Nein, habe ich mal nicht vor. :P :P

    [You]
    Denn zu helfen, in begrenztem und überschaubarem Umfang (!), sind viele bereit. Sogar gerne. Aber klassische "Ehrenämter" wie zu Zeiten der Großeltern, da wäre man/frau ja blöd, sich so eine Eisenkugel ans Bein zu binden.
    Ich z.B. habe eine kurze D-Trainer-Ausbildung gemacht. War vom Zeitaufwand noch tragbar, C-Trainer ist kaum zu stemmen. Und ich habe es nicht gemacht, damit ich in Zukunft "Der Vereinstrainer" wäre (*schauder*), sondern damit ich a) gelegentlich Neuankömmlingen vernünftige Tips geben und sie besser anleiten kann, und b ) damit ich selber was davon habe. :)
    Reihenfolge a) und b ) kann auch umgekehrt werden.

    [L]
    Ja, etwas Freude muss man auch dabei haben, sonst bringt es nichts. Weder anderen noch einem selbst.

    [You]
    Klar. Ich schieße dann (hoffentlich) selber besser.

    ---
    Beste Grüße aus Südbaden,
    Carcano

  • Ich denke das System der „Freiwilligenarbeit“ ist durchaus bereits angekommen. Das ständig wechselnde Mitarbeiterteam bei Veranstaltungen wie der Guschu-Open besteht fast komplett aus freiwillig dort helfenden Trainern. Verbandsebene. Wie schaut's auf Vereinsebene aus? Auf Vereinsebene ist Freiwilligenarbeit die Grundvoraussetzung. Dafür braucht's allerdings auch hauptamtliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter die Verantwortung übernehmen und Aufgaben und Kompetenzen delegieren. Hauptamtliche, Ehrenamtliche und Freiwillige arbeiten längst erfolgreich Hand in Hand, oder?

    Gerhard Seemüller

    „Great minds discuss ideas;
    average minds discuss events;
    small minds discuss people.“

  • @ Geronimo:
    Dem kann ich nur zustimmen! Klar ist es mittlerweile modern nur noch freiwilliger Helfer zu sein mit dem Vorteil: Wenn ich nicht mehr will, hör ich eben auf. Aber genau darin sind auch große Probleme und Gefahren enthalten: Laut Vereinsrecht muss ich eine feste Vorstandschaft haben.


    Eine feste Stammmannschaft ist also immer nötig. Auch müssen Personen da sein, die die Freiwilligen einweisen und einteilen. Und diese Personen müssen/ sollten auch ein bischen Ahnung und Erfahrung über den jewiligen Verein haben.

  • Paradigmenwechsel bedeutet nicht, dass es die bisherigen Stufen und Unterscheidungen nicht mehr geben würde. Wir werden auch weiterhin Hauptamtliche und Ehrenamtliche unverzichtbar brauchen; aber ihre Bedeutung einerseits, und die Bedeutung freiwilligen und umgrenzten Engagements andererseits, haben sich geändert und werden sich noch weiter ändern, und das haben die Schützenverbände anders als andere Verbände noch nicht so recht realisiert.

    Auch in Zukunft wird und muss es einen festen Strukturstamm von Funktionsträgern geben; er wird möglicherweise sogar noch wichtiger werden. Aber seine Rolle und sein Selbstverständnis werden andere sein müssen. Und das ist auch keine Mode, genauso wenig wie es bloss "modern" ist, Reisen mit pferdelosen Automobilen zu unternehmen, Fernsprechapparate zu benutzen statt einen Geschäftsboten aus dem Kontor zu schicken, im eigenen Salon ein kleines Lichtspieltheater (früher untergebracht in einem größeren Kasten mit gläserner Scheibe, wie einer Vitrine, heute in einer Art Bilderrahmen) zu unterhalten, oder in die Sommerfrische nach Übersee (!) zu fahren.

    Was sich ändert, ist einmal die Verlagerung gewisser Funktionen und Verantwortlichkeiten auf Hauptamtliche. Also berufsmäßig angestellte und hoffentlich entsprechend professionell ausgebildete Mitarbeiter. Von der Geschäftsführerin bis zum Sachbearbeiter. Deren Anzahl ist sehr verschieden; zwischen einer großen Organisation wie dem DOSB, die nach den gleichen Maßstäben geführt werden muss wie ein kleineres Landesministerium oder ein Unternehmen, und einem mit geringstem Personalaufwand und noch viel "Ehrenamt" dennoch effizient arbeitenden kleineren Schießsportverband (nehmen wir z.B. die DSU als zentral geführten Verband mit gerade mal 13.000-14.000 Mitgliedern) liegt da natürlich eine weite Spanne.

    Diese genannte Professionalisierung muss und wird auch durchschlagen auf die Funktionsebene der "Ehrenamtlichen". Wir haben heute nicht mehr den "Vereinsfürsten" oder "Schützenmajor" als Leitbild in der Sportorganisation - beide taugen mehr fürs Marionettentheater oder fürs komödiantische Fernsehprogramm, "alles für den Dackel, alles für den Hund !" - sondern den "Vereinsmanager[in]".
    Dieser Name ist nun, das räume ich ein, vielleicht etwas modisch; das Konzept dahinter ist aber sehr vernünftig und notwendig, und DOSB und Landessportverbände geben es allen Verbänden mit gutem Grund vor, und bilden entsprechend aus.
    Eine solche Vereinsmanagerin kann eine ehrenamtliche, gewählte Präsidentin sein, oder eine entlohnte Geschäftsführerin. Beides ist denkbar. Insoweit muß man "Hauptamt" und Ehrenamt" gar nicht als Gegensatz verstehen, es können auch verschiedene Intensitäten der gleichen Tätigkeit sein.
    Große Sportvereine (insbesondere Mehrspartenvereine, aber auch größere Fachsportvereine) können anders als mit hauptamtlichem Vereinsmanager gar nicht mehr existieren und wirtschaften.
    Hingegen der Kyffhäuserschützenverein 1888 e.V. in Tuchtfeld, Kleinmoorkamp oder Hunzen, und der Eisenbahnerschützenverein Holzminden (dessen eigener kleiner Schießstand jetzt mangels Schützen zur Vermietung durch DB-Immobilien steht, diese Kleinstadt hat ja auch nur noch 10 weitere Schützenvereine) gehen freilich auch ohne; jedenfalls solange bis sich ihr letztes, über 70jähriges Mitglied ins betreute Wohnen zurückgezogen hat, und dann ist ohnehin Ende...

    LG, Carcano

  • Schön, daß man sich hier Gedanken über die zukünftige Entwicklung macht. :) Soweit bin ich noch nicht, möchte aber mit einer kurzen Lagebeschreibung aus dem Osten Deutschlands das hier gezeichnete Bild noch ein wenig bunter machen. (Ein Süd-Nord-Gefälle innerhalb des DSB wurde ja bereits konstatiert.) Allerdings verfüge ich über keinen Einblick in Verbandsinterna, weshalb ich mich auf eine Beschreibung meiner Eindrücke und Erfahrungen beschränken muß.
    Dabei ist zu beachten, daß es hierzulande kaum reine oder überwiegende „Traditionsvereine“ gibt. D.h. in nahezu allen Schützenvereinen wird – mehr oder minder intensiv – der Schießsport gepflegt.

    Mitgliederentwicklung

    Der Landesschützenverband Sachsen-Anhalt hatte im Jahr 2010 nur noch 18.440 Mitglieder in 475 Vereinen. Damit setzte sich ein seit Jahren bestehender negativer Trend fort. (Zwei Zahlen zum Vergleich: 2002 waren im LSV noch 21.559 Schützen organisiert; das Land ST hat derzeit rund 2,34 Mio. Einwohner.)
    Dieselbe Entwicklung ist auch innerhalb der einzelnen Vereine festzustellen. Die Zahl der Mitglieder sinkt und das Durchschnittsalter der verbliebenen steigt. Im Jugendbereich gibt es zumeist erhebliche Defizite – ganz anders, als es wohl in Süddeutschland zu sein scheint.
    Mein Verein, der nur über einen 10-m-Schießstand verfügt, hatte in den 1990er Jahren etwa 80 Mitglieder und konnte mehrere LG-Mannschaften aufstellen. Das geht heute nicht mehr, denn es sind nur noch ca. 40 Mitglieder. Davon 2 Schüler, 2 Jugendliche und ca. 6 jüngere Erwachsene. Die übrigen Schützen haben die 45 schon überschritten.
    Diese Entwicklung – weniger Mitglieder, die immer älter werden – wirkt sich vielfältig aus.

    Wettkampfbetrieb

    Insgesamt sieht es hier im Kreisschützenverband (wie auch in der Umgebung) mit den Wettkämpfen ein wenig mau aus. Nur wenige Vereine sind in dieser Hinsicht wirklich aktiv. Grob kann ich für meine Region sagen, daß es jeweils einmal pro Jahr Vereinsmeisterschaften, Kreismeisterschaften und ein Pokalschießen pro Disziplin gibt. Hinzu kommen hin und wieder noch Sonderveranstaltungen (z.B. jagdliches Schießen, Gaudischießen). In anderen Gegenden des Landes sieht es insofern allerdings besser aus.
    Leider mußte ich in den letzten Monaten hin und wieder auf Vereinswebseiten lesen, daß bereits angekündigte Wettkämpfe kurzfristig wegen Teilnehmermangels abgesagt wurden.
    Rundenwettkämpfe oder ähnliche Veranstaltungen unterhalb der Ebene Verbandsliga gibt es nicht.

    Disziplinen

    Leider wird auch nur ein kleiner Teil der möglichen Disziplinen geschossen. Bei den hiesigen Kreismeisterschaften Kleinkaliber wird z.B. kein Dreistellungskampf (3x20 oder 3x40) ausgetragen. (Man kann und soll die älteren Herren auch nicht damit ärgern. ;) ) Gut nachgefragt wird hingegen English Match. Auch die GK- und insbesondere die Schwarzpulverdisziplinen erfreuen sich großer Beliebtheit; Druckluft sowieso.
    Von einzelnen Schützen abgesehen (ein über 60jähriger LP-Schütze schießt z.B. in der Verbandsliga noch regelmäßig 365 Ringe) scheint mir das Leistungsniveau generell nicht allzu hoch zu sein – wenn man die erreichten Ringzahlen etwa mit Wettkampfprotokollen aus Bayern vergleicht.

    Aussagefähig ist m.E. auch folgender Vergleich: In der Disziplin LP (Schützenklasse) erhält man schon ab 320 Ringen das goldene (!) Leistungsabzeichen des LSV. Um an der LM 2011 teilnehmen zu dürfen, mußte man auf der KM jedoch mindestens 340 geschossen haben. BTW: Mit 320 erfüllt man gerade einmal die Bedingungen für das bronzene Leistungsabzeichen des DSB.

    Auflageschießen

    Die Aufgelegtdisziplinen werden auch hier im Land sehr gut angenommen; es gibt eigene Kreis- und Landesmeisterschaften dafür. Allerdings beschränkt sich die Teilnehmerschaft auf die älteren Semester (welche ja reichlich vorhanden sind ;-)). Ich habe bisher noch keinen jüngeren Schützen gesehen, der Auflage geschossen hätte; auch in den Ausschreibungen ist mir nichts dergleichen aufgefallen. Insofern sind wir Sachsen-Anhalter im positiven Sinne konservativ. ;)

    Finanzen

    Verglichen mit den Zahlen aus anderen Teilen Deutschlands sind die Mitgliedsbeiträge hier relativ hoch. Sie betragen bei Vereinen mit eigenem Schießstand oft zwischen 100 und 150 Euro pro Jahr. Hinzu kommt die einmalige Aufnahmegebühr für Neumitglieder, die meist in einer Spanne zwischen 50 und 150 € liegt. Für Jugendliche u.a. gelten günstigere Konditionen.

    Öffentlichkeitsarbeit

    Die Öffentlichkeitsarbeit ist naturgemäß von Ort zu Ort verschieden. Hier in meiner Gegend ist sie leider schwach aufgestellt. Zumeist finden sich nur Berichte aus dem „Traditionsbereich“ in der Zeitung wieder – Ordensverleihungen, Schützenfest, kurzum alles, wo nicht Trainingsanzug oder Schießjacke, sondern Uniform getragen wird. Dies prägt natürlich ein bestimmtes „Image“ der Schützen in der lokalen Gesellschaft. Dazu gehört auch der Irrglaube, daß der Schützenkönig der beste Schütze des Vereins sei. Der eigentliche Schießsport ist leider unterrepräsentiert. :(
    Auch die Internetpräsenz ist oft recht mager, wobei die größeren und bedeutenderen Vereine i.d.R. besser sind und somit de facto zusätzlich Öffentlichkeitsarbeit auch für die kleineren Klubs leisten, etwa durch das Publizieren von Ausschreibungen und Protokollen. (Ich arbeite in meinem Verein insoweit gerade an einer Verbesserung.)

    So stellt sich für mich die Lage hier in Sachsen-Anhalt dar.

  • Danke Zebo für die interessante, aber auch etwas erschreckende Berichterstattung von dir aus Sachsen-Anhalt. Da bin ich doch froh, dass es bei uns in Bayern noch anders abläuft, auch wenn wir hier ebenfalls immer älter werden. Aber unser Mitgliederstand ist nach wie vor ganz ok (unser Verein hat über 300 Mitglieder).
    Auch die Beiträge sind bei uns deutlich moderater (32 Euro im Jahr).

    Wie war es denn um den Schießsport und Schützenvereine in der DDR bestellt? Das würde mich schon noch interessieren.

    Mit bestem Schützengruß aus Niederbayern

    dingo

  • Wie war es denn um den Schießsport und Schützenvereine in der DDR bestellt? Das würde mich schon noch interessieren.

    Gute Frage. Darüber sind schon Bücher geschrieben worden. Deshalb will ich eine Kurzfassung versuchen. ;)

    Auch in der DDR wurde selbstverständlich Schießsport betrieben, aber ohne Schützenvereine im klassischen Sinne. D.h. Traditionspflege wurde nur lokal von ein paar Enthusiasten betrieben. Im großen und ganzen war hierzulande jedoch zwischen etwa 1939 und 1990 ein schwarzes Loch, was diese Seite des Schützenwesens angeht. (Deshalb empfinde ich auch die nach der Wiedervereinigung begonnenen Brauchtumsveranstaltungen wie Schützenfeste etc. als oftmals künstlich aufgepfropft.)

    Den eigentlichen Schießsport muß man in Breiten- und Leistungssport teilen, die ab ewta 1970 recht strikt getrennt waren.
    Der Leistungssport wurde in einem halben Dutzend Klubs für Sportschießen betrieben, die zur Gesellschaft für Sport und Technik (GST), dem Armeesportklub und der Sportvereinigung Dynamo gehörten. Hier tranierten die de facto Berufssportler. Zur Nachwuchsgewinnung für diese Klubs dienten zahlreiche Zentren, die über die ganze DDR verteilt waren. Dort wurden vor allem Kinder und Jugendliche trainiert und herangezogen. Im Leistungssport wurden die international üblichen Disziplinen geschossen.

    Das war im Breitensport anders. Hier gab es starke Restriktionen, sowohl waffen- als auch disziplinmäßig. LG, KK-Gewehr liegend und Dreistellung (3x5) sowie ein wenig KK-Pistole, manchmal wohl auch Flinte. Das wars. Für den Breitensport war fast ausschließlich die GST zuständig. In vielen Orten gab es eine Sektion Sportschießen, die jedoch oft nur über einen improvisierten LG-Stand verfügte. Ansonsten konnten die Breitensportler noch so gut sein, sie hatten kaum eine Chance, in den Leistungssportbereich zu wechseln.
    Neben dem rein sportlichen hatte der Breitensport auch die Aufgabe der allgemeinen Wehrertüchtigung der Bevölkerung zu erfüllen. Hier sind denn auch Veranstaltungen wie der Fernwettkampf "Goldene Fahrkarte" einzuordnen.

    Ansonsten möchte ich noch auf einige Beiträge in meinem Blog verweisen, die das Thema ebenfalls streifen und z.T. auf weiterführende Literatur verweisen:

    Sportschießen in der DDR

    Suhler Sportwaffen

    Der Beginn des Sportschießens mit Luftgewehren

    Druckluftwaffen in der frühen DDR

    "Das Schießen erzieht geistesgegenwärtige überlegene Menschen"

    Das Schützenduell

    Dokumente zum Waffenrecht der DDR

    Jagdwaffenvergabe in der DDR

  • danke für deinen Bericht. So wird einem Wessi wie mir etwas klarer wie es früher bei euch ablief.

    Mit bestem Schützengruß aus Niederbayern

    dingo

  • Hallo Freunde,

    ich bin jetzt wahrlich kein Kenner der DDR-Geschichte - ich hatte sogar längere Zeit DDR-Verbot 8) - möchte aber trotzdem eine kleine Ergänzung zu Zebos fundiertem Bericht wagen.

    Nach meinen Information durch Gespräche mit ehemaligen DDR-Sportlern war es wohl so, dass in der DDR schon sehr früh ganz gezielt durch entsprechende Tests in den Schulen die Talente für die jeweiligen (olympischen) Sportarten gesucht wurden. Dabei wurde wohl im Bereich Schießsport das Halte- und Standvermögen und die Fähigkeit, feinste Steuerungen und Korrekturen durchzuführen, auch mit Hilfe speziell dafür entwickelter Messgeräte und Elektroniken getestet. In welchen Zeiträumen das jetzt so geschah, ist mir nicht bekannt, aber von den Achtzigern wurde mir das jetzt jedenfalls so berichtet.

    Vielleicht kann Zebo das ja so bestätigen und eventuell sogar auch noch etwas ergänzen bzw. deaillierter ausführen.


    "Das Schießen erzieht geistesgegenwärtige überlegene Menschen" - kein Wunder, dass das bestimmten Herrschaften nicht passt.


    dingo

    Unser über 400 Jahre alter Schützenverein hat sogar über 1000 Mitglieder und den Beitragssatz können wir mit zur Zeit 16,- EUR Jahresbeitrag auch locker toppen. Aber trotzdem haben wir ein massives, zum Teil leider auch hausgemachtes Problem im Nachwuchsbereich für den Schießsport. Richtig aktiv betreiben den Schießsport bei uns leider zur Zeit nur noch ein paar Männekes und unser Nesthäkchen ist jetzt auch schon in der Altersklasse angelangt. Da so natürlich ein ziemlich geballter Schützensachverstand an den Start geht, ist die Ausbeute bei Wettkämpfen und Meisterschaften noch relativ hoch und verkleistert so auch ein bisschen das Problem.


    Mit bestem Schützengruß

    Frank

    Einmal editiert, zuletzt von Murmelchen (12. März 2011 um 16:35)

  • Vielleicht kann Zebo das ja so bestätigen und eventuell sogar auch noch etwas ergänzen bzw. deaillierter ausführen.

    Ja, das kann ich bestätigen. Ab den 1960er Jahren hatte die Förderung des Leistungssports - nicht nur im Schießen - höchste Priorität. Schließlich war die DDR international noch wenig anerkannt und der Sport sollte helfen, ihr Renommée in der Welt zu verbessern. Zu diesem Zweck wurden unheimlich viele Ressourcen (ökonomisch gesehen zu viele) in den Sport gesteckt. Es begann bei der Sichtung von Talenten im Kindesalter, das Training von Kindern und Jugendlichen in speziellen Internaten bis hin zur Förderung der erwachsenen Profisportler. Dazu gehörte auch eine intensive sportwissenschaftliche Forschung und Betreuung der Athleten - bis hin zum berüchtigten Doping. Die Auslese geeigneter "Kader" war sehr rigide, schon im Jugendbereich: Wer die erwarteten Leistungen nicht brachte, flog raus - nicht nur aus dem umfangreichen Sportförderprogramm, sondern auch aus dem Internat, der besonderen sozialen Absicherung usw. Er konnte froh sein, wenn er im Breitensport weitermachen durfte.

    Damit schaffte es die kleine DDR, im Sport weltweit in die Spitzenklasse aufzusteigen. Bei den Olympischen Winterspielen 1984 in Sarajevo führte die DDR sogar den Medaillenspiegel an, noch vor der UdSSR und den USA (die BRD lag auf Platz 8).

    Im Schießsport führte das, wie ich dieser Tage hier schon einmal geschrieben hatte, später zu der bizarren Situation, daß es sogar zwei räumlich und zeitlich getrennte DDR-Meisterschaften gab. Einmal für die Leistungssportler mit den UIT-Disziplinen und einmal für die Breitensportler mit dem nationalen "Sparprogramm".

    Ausführlicher nachlesen kann man das bei Hans-Joachim Beck: Sportschießen in der DDR - Von den Anfängen bis 1990, Wiesbaden 2002 sowie hier.

  • Auch im Gebiet 'Süd' des RSB wird über einen Verbandswechsel nachgedacht. Hier die Information des Fachverbands Sportschießen Rheinhessen. Ob - und ggf. mit welchem Ausgang - Gespräche mit den Leitungen beider Verbände geführt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Weißt Du, was inzwischen daraus geworden ist? Wäre mal interessant...

    C.

  • Weißt Du, was inzwischen daraus geworden ist?


    Als einfaches Mitglied habe ich nur eine eingeschränkte Sicht auf die Situation. Persönlich bin ich nicht davon überzeugt, dass ein Verbandswechsel die erstrebte Wirkung bringt.
    Zum aktuellen Sachstand, soweit er sich mir erschließt (letzte Informationen habe ich am letzten Sonntag erhalten), sind - ein einziger Verein ausgenommen - zwei Kreise endgültig zum Wechsel entschlossen, Kündigungen bei RSB wurden wohl auch schon eingereicht.

    Jede Schießsport-Disziplin hat ihre Existenzberechtigung. Zusammenhalt ist wichtig - über die Grenzen von Disziplinen und Verbänden hinweg.

  • Ich berichte jetztmal aus der Sicht der Pfälzer:

    Soweit ich weis will bis jetzt ein Bezirk (also 3 Kreise) mit 11000 Mitgliedern aus dem gebiet Süd zum PSSB dazustoßen.
    Es ist aber noch nichts abschließend beschlossen von Seiten des PSSb. Das kann frühestens nächstes Jahr auf dem Landeschützentag (Generalversammlung PSSB) entschieden werden. (quelle Präsident PSSB). Die Anderen Bezirke/Kreise des Gebiets Süd haben noch keine entgültige Erklärung abgegeben. Der Wechsel kann meines Wissens auch erst zum 01.01.2013 erfolgen, weil vorher die Rahmenbedingungen noch geschaffen werden müssen.

    Gruß