Eine Analyse der Sportvereine in Deutschland auf Basis der Sportentwicklungsberichte

  • Ich habe gerade die vom DSB veröffentlichte Untersuchung der Schützenvereine durchgelesen:
    Sportarten_SEB_Buch_Schuetzen.pdf

    Auszüge:

    In den letzten beiden Jahren haben sich mehrere Problemlagen verschärft, wie z. B. die Anzahl an Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften, die Bindung und Gewinnung von Mitgliedern, die demografische Entwicklung in der Region, die Unklarheit der Gesamtperspektive des Vereins und die örtliche Konkurrenz durch kommerzielle Sportanbieter.

    Die im Mittel moderaten Problemwerte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Vereinen gibt, die mindestens ein existenzielles Problem hat. Dies sind bundesweit 44,5 % aller Schützenvereine bzw. insgesamt etwa 6.700 von 15.101 Schützenvereinen in Deutschland.

    Im Zeitraum zwischen 2007 und 2009 hat jedoch die Anzahl an ehrenamtlichen Positionen auf der Vorstandsebene signifikant abgenommen.

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    Ich vermute, dass die Lage NACH Winnenden noch dramatischer aussieht. Zeigt doch die Studie einen ganzen Haufen von Kooperationen mit Schulen, die 2009 gerade in NRW (eines der größeren Vereinsländer) an den medialen Pranger gestellt wurden.

    Signifikant finde ich auch folgende Zitate:

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    ‎4.837.000 Stunden pro Monate (Anm. das sind 58.044.000 pro Jahr) werden ehrenamtlich auf Vorstands- und Ausführungsebene in Schützenvereinen geleistet. Das entspricht einer jährliche Wertschöpfung von rund € 864 Mio.. Hierzu kommen noch Leistungen der freiwilligen Helfer, die sich bei gesonderten Arbeitseinsätzen unentgeltlich beteiligen.

    Schützenvereinen ist es unter einer Vielzahl an Vereinszielen besonders wichtig, Werte wie z. B. Fair Play, Toleranz zu vermitteln, sich für eine gleichberechtigte Partizipation von Mädchen/Frauen und Jungen/Männern zu engagieren und älteren Personen Sport zu ermöglichen. Überdies möchten die Schützenvereine ausschließlich ehrenamtlich organisiert sein und legen viel Wert auf Gemeinschaft sowie Geselligkeit.

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    Meine Sichtweise zum Report:
    Schützenvereine VEREINEN in einer absolut außergewöhnlichen Weise: Junge und Alte, Frauen und Männer, Behinderte und Nicht-Behinderte.
    In kaum einer anderen Sportart haben individuelle Defizite (Rolli, Frau, zu jung, zu alt) im normalen Wettkampf sowenig Nachteile wie im Schießsport.

    Hier zählt keine Muskelkraft, kein Bodybuilding, kein Macho-Gehabe: hier zählt Konzentration, der Wille zum Sieg, Abstimmung des ganzen Körpers zum Ziel.

    Auch im verhassten WO-Forum sind ähnliche Meinungen geäußert worden, als die User nach dem Sinn des Schießsports befragt wurden. Ruhe, Konzentration (fast ein ZEN) wurden des öfteren genannt, auch dass Ältere/Frauen dadurch der Jugend/Männer einen Schritt voraus sind, indem sie sich fast spirituell mit dem Ziel verbinden, alle weltliche Sorgen hinter sich lassen, nur dem Ziel verbunden mit sich selbst ringen.

    Warum liest man solche Ergebnisse nirgendwo?

  • Es sind aber nicht nur die neuen Gesetze und Verordnungen.

    Wenn ich mir die Vereine in der Umgebung so anschaue, und das sind nicht nur die knapp 85 anderen Vereine unseres Bezirkes, sondern hier und da auch drüber hinaus, so stellt man fest das das Schützenwesen überaltert ist. im Schnitt würd ich sagen 2/3 aller Vereinsmitglieder sind 50 und älter.

    Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, das Schützenwesen hat es die letzten 20 - 30 Jahre versäumt was für die Mitgliedergewinnung im allgemeinen zu tun.

  • Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, das Schützenwesen hat es die letzten 20 - 30 Jahre versäumt was für die Mitgliedergewinnung im allgemeinen zu tun.

    100% Zustimmung


    Wobei ich als Waffenlobbyisten zufügen darf: das liegt u.a. an der fehlenden Öffentlichkeitsarbeit und dem fehlenden Kampf gegen Vorurteile, dies zwar in der Agenda des FWR stehen, aber nie wahrgenommen wurden.

  • Da stimme ich dir zu Erzwo.
    Wir haben fast nur Alters- und Seniorenklasse.
    Meine Jugend (etwa 20 Leute) fängt das leider nicht aufk weil die nach der Schule auch weg sein werden und die Schützenklasse stirbt aus.
    In einem Verein mit etwa 300 Mitgliedern bin ich einsam und allein in der Schützenklasse vertreten!!!!!!!!!
    Traurig aber wahr!!!!!
    Deshalb sind solche Foren wie diese mit dem Blick über den Tellerrand des Kreises auch so wichtig.
    Kontakte knüpfen und die Möglichkeit leute kennenzulernen, die einem helfen können, den Sport auch über den Heimatverein hinaus ausüben zu können.
    Es geht um das Ganze!!!! Nicht um Vereinsheimerei!!!!
    Das wurde in meiner Jugend noch gaaaanz falsch gemacht. Aber wir sind - wenigstens hier im Forum - schon auf einem guten Weg.
    Wenn eine/r meiner Kids z.B. in BHV studieren wollen würde, weiß ich, an wen ich mich wenden kann.
    Nur so als Beispiel!!!!!

  • Was ich auch noch anmerken möchte ist die Anhebung der Altersgrenze im Schießsport!

    Da die Kinder und Jugendlichen nun noch schwerer an den Sport herangeführt werden können-da sie häufig schon andere Interessenschwerpunkte (Fußball, Handball, ect) haben.
    Diesen Nachwuchs anzuwerben bzw. zu begeistern ist äußerst schwer da sie in die anderen Verein schon sehr stark eingebunden sind.

    So bricht uns immer mehr Jugend weg was wie schon erwähnt zu einer drastischen Überalterung führt. So liegt es an aus neue Konzepte und Ansätze zu entwickeln dieser Erscheinung entgegen zu wirken!

    MfG

    Joker

  • Auch wenn ich mich jetzt wie ein DSB'ler anhörem, ok ich bi einer der auch die vielfalt der DSB Diszipinen verteidigt incl der GK Disziplinen auch wenn sie nicht meinen geschmack treffen.

    Die Bundesliga geht in ihre 14. Saison, ich habe auch schon den ein oder anderen Wettkampf besucht und selber bei der Ausrichtung mitgeholfen. Es sind unterschiede wie Tag und nacht wie die vereine das ganze selber handhaben.

    Der Stand wo in berlin die Bundesliga geschossen wird ist zwar ganz schön, da waren aber nur die Schützen und vieleicht 30 mitgereiste Fans der Vier Vereine. Musste mich auch trotz Navi durchfragen wo denn der Stand zu finden ist bzw ob ich überhaupt richig bin.
    Nächstes beispiel ein Verein unseres LV. Enge halle, Plätze genug da und es waren im Publikum anwesend: 10 Schützen der grad nicht schießenden Vereine, 10 Mitarbeiter sowie 7 Mitgereiste Mitglieder/Fans der 4 anwesenden Vereine.

    Nächstes Beispiel und das seh ich als Werbung für den Schießsport an:
    Sporthalle, Platz für bis zu 700 Zuschauer. Programm von 12 bis 22 Uhr in der Halle. Jugendfinalschießen incl Siegerehrung zu einem Späteren zeitpunkt, die Trainings der Vereine, die Wettkämpfe und hinterher ein etwas anderes Finalschießen (schlechtester schütze fliegt), welches von den bundesligaschützen und eingeladenen gästen geschossen wird. Zuschauer ca 700 über den ganzen tag verteilt, wobei der hauptstrom an zuschauern zu den beiden Wettkämpfen da war.

    Das Bundesligafinale lasse ich da mal außen vor.

    Und wenn man in den vereinen Fragt: Bundesliga?
    kommt die Antwort: Kennen wir nicht! Sowas gibt es? usw

    Auch hier wurd versäumt was werbetechnisch zu unternehmen.

  • Wir haben fast nur Alters- und Seniorenklasse.

    Hallo Sylvia,

    in der Bundeshauptstadt sind nur 0,3% WBK-Inhaber. Kein Wunder, dass nicht mal in dem Bezirk, in dem ein Landesleistungszentrum liegt, aktive Jugendarbeit betrieben wird!

    Ich bin Waffenhändlerin, Jagdschein-Absolventig, aber keine Schützin. D.h. ich konnte meinen Jungs ( jetzt 17+20 Jahre), weil ich selber nicht schieße, als sie intensiv nach Schießmöglichkeiten gesucht hatten, keine Angebote in einem 270.000 Einwohner-starken Bezirk geben. Kein Spandauer Vereine - und wir kennen diverse - hatte eine Jugendabteilung. Es gab niemanden, der meine Jungs trainieren wollte. Und ich hätte sie und deren Jungend-Abteilung mit Munition sogar unentgeltlich versorgt (?!). Viele meiner Anfrage verliefen im Nirgendwo. Und so wird es anderen auch gehen.

    Im letzten Jahr hatten wir zwei Schulpraktikanten.
    Der eine hat Eltern, die aktiv GK, insbesondere IPSC, schießen. Er ist einer der wenigen Minderjährigen, die nicht nur von SIG-Sauer gesponsert werden, sondern auch eine Ausnahmegenehmigung zum GK-Schießen mit 15 Jahren in Berlin bekommen hat, weil seine Mutter und sein Stiefvater ihn protegieren, er an fast allen minderjährigen Meisterschaften teilnimmt und u.a. aufgrund der niedrigen Teilnehmezahl einen Titel nach dem anderen abräumt.
    Der andere ist im Nachbarbezirk als 12-jähriger zum Schießsport gekommen und mittlerweile im Kader von Adlershof (LG/KK in der Walther-Arena, ca. 1 Stunde Anfahrtsweg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln). Nichts hat er mehr bedauert, als die WaffG-Änderung 2009, die ihm kurz vor seinem 16. Lebensjahr die Teilnahme am Slugschießen verwehrt hatte. Er hofft immer noch auf eine Ausnahmegenehmigung.

    Beide Jungs waren diszipliniert, wohlerzogen und ein Gewinn für die Firma. Ganz im Gegenteil zu den anderen Praktikanten und Möchtegern-Azubis, die sich - ohne dass sie Sportschütze waren - innerhalb von 2-4 Monaten aufgrund ihrer fehlenden Motivation disqualifiziert hatten.

    Ich möchte hier eine Lanze brechen für die minderjährigen Vereinsmitglieder, die sich trotz desolater gesetzlicher Lage, diesem Sport verschrieben haben. Hut ab vor Eurem Engagement! Hut ab auch für jeden engagierten Ehrenamtlichen, der dieses ermöglicht! (Ich würde gerne noch mehrere von Euch sehen und diese auch gerne publizieren.)

    LG

    Katja