Wie gelingt das scheinbar "Unmögliche"

  • Hallo Schützeninnen und Schützenbrüder,
    Wie der Titel schon vermuten lässt wieder mal eine ganz komische Frage. "Wie gelingt das scheinbar unmöglich?"
    Seit 6 Jahren schieße ich wieder aktiv Luftgewehr stehend. Immer auf der suche mich zu verbessern. Leider stagniert meine Leistungspotential
    hier zwischen 360 und 375 Ringen ( und die 70er ehr selten). Ich habe schon vieles versucht um meinen Traum einmal 380 Ringe und mehr zu schießen zu verwirklichen,
    Mit grossem Respekt z.b schaue ich auf Schützen die das erreichen konnten, ich meine einen plötzlichen Leistungschub- das für mich Unmögliche. Wie z.B erst kürzlich eine Schützin in unseren Verein. Sie hat viele Jahre in unserer Damenmannschaft geschossen mit Ergebnissen von 340- 355 Ringen. Nachdem sie sich neu eingekleidet hatte und angeblich auch etwas mehr trainiert hatte, ist sie plötzlich in der Lage Ergebnisse von mind 370 bis 382 Ringen zu schießen.
    Das mit dem Material- da bin ich schon durch. Habe mehrfach die Klamotten, das Gewehr etc gewechselt - kein Erfolg bei mir.
    Natürlich habe ich auch schon mit stark erhöhten Trainingsaufwand - bis zu 3x die Woche versucht was zu bessern - nix- nada.
    Ich dachte ich frag mal bei euch nach , ob ihr nicht solche "Durchbruchserlebnisse" , Ursachen etc erzählen könntet, wie ihr das geschafft habt,
    eine sichtbaren Leistungschub zu erreichen.
    Hoffe hier was zu erfahren was mir helfen könnte.
    Grüsse Reinhold

  • hallo Reinhold,
    Also an der ersten wichtigen Sache fehlt es dir anscheinend nicht. Nämlich Ehrgeiz! Allerdings solltest du auch aufpassen nicht zu ehrgeizig zu sein und dadurch dann zu schnell zu viel zu wollen. Mir wurde von Trainern gesagt, dass die durchschnittliche Steigerung in einem Jahr bei so ca 5 Ringen liegt, natürlich auch abhängig vom Trainingsaufwand und wo man gerade steht. Von 34X auf 36X geht es schnell, von 38X bis 39X nicht mehr!

    Mehrfach Klamotten und Gewehr wechseln ist allerdings Schwachsinn, solange die Sachen funktionieren. Schießklamotten müssen passen, am besten maßgeschneidert und sie müssen stabil sein, also möglichst nahe am Maximalwert der Steifigkeit sein.
    Das Gewehr muss ordentlich schießen und JEDES funktionierende, moderne Luftgewehr schießt praktisch Loch in Loch mit ausgesuchter Munition! Problematisch kann nur ein Schaft sein der dir nicht passt, z.B zu langer Hinterschaft. Schaftkappe usw. ist alles austauschbar.
    Du solltest auch nicht ZU viel rumprobieren. Wenn du eine Einstellung oder den Anschlag verändert hast, behalte das auf jeden Fall für mehrere Trainings bei. Manchmal spielt einfach die Tagesform nicht mit.
    Andererseits solltest du auch nicht immer den gleichen Anschlag und die gleichen Einstellungen beibehalten. Kleine Veränderungen bewirken oftmals Wunder und manchmal einfach nur damit weil der Kopf denkt "hey das geht bestimmt viel besser als vorher".

    Training 3 mal die Woche heißt noch gar nix. Es kommt auf die Schussanzahl an! 40 Schuss pro Training sind definitiv zu wenig! 50-60 auch. Mindestens 70 Schuss und von Zeit zu Zeit gerne auch mal über 100 Schuss um Kondition aufzubauen. Mir wurde auch schon dazu geraten ein Wochenende pro Tag frühs und abends 100 Schuss zu machen. Wieder andere sagen etwas über 70 Schuss reichen, also ein volles LG Programm auf der DM.

    Maßgeblich ist dein Anschlag. Jeder Schütze unter ca. 38X macht irgendwelche Fehler. Sei es ein grober Fehler wie komplett falsche Haltung und falsche Nullstellung bei Anfängern oder Feinheiten wie genaues Nachhalten und kleine Ungenauigkeiten beim Aufsetzen des Ellebogens.
    Ein "normaler" Trainer kann dir nicht ewig weiterhelfen. Ab 37X macht es langsam Sinn mit einem professionellen Trainer zusammen zu arbeiten. Am besten jemand, der viele Schützen bei 38X aufwärts betreut. Da kann man sich dann auch gut was bei anderen Schützen abschauen und vergleichen.

    Zu guter Letzt musst du beim Training immer konzentriert bleiben. Ich seh das immer wieder bei anderen Schützen. Da wird während des Trainings rumgeblödelt, gelabert und sich gegenseitig abgelenkt. In so einem Umfeld entstehen keine Bundesligaschützen!
    Bei jedem Schuss musst du akribisch genau arbeiten und deinen IMMER GLEICHEN Ablauf durchziehen.

    Die angegebenen Zahlen sind ohne Gewähr und nur zur ungefähren Orientierung!

    Wettkampfbestleistungen:
    LG 40 Schuss: 390, 60 Schuss: 580 mit meinem Feinwerkbau 800X

    KK liegend: 586, 3x20: 560, 3x40: 1132 mit meinem Walther KK500 E im Tec-Hro fanatic Schaft

  • Bei jedem Schuss musst du akribisch genau arbeiten und deinen IMMER GLEICHEN Ablauf durchziehen.

    Das ist der springende Punkt des ganzen.
    Es geht bis zu einem gewissen Grad ohne Trainer, aber ohne eben einen kommt man nicht weiter und verzettelt sich dann in andere Sachen wo man meint das es dran liegen könnte.

  • Hallo Reinhold,

    ein schönes und großes Thema. Und beinhaltet ja eigentlich alles.

    Einen Leistungs"schub" habe ich auch bei anderen Schützen nur selten erlebt, meist einhergehend mit dem ersten eigenen Gewehr oder dem ersten Maßanzug, und dann auch "nur" in die Region bis 370-75.
    Alles weitere geht dann eher in kleinen Schritten, oder stagniert auch bei diesen Schützen.

    Leider gibt es bei uns im Verein keinen Trainer und auch keinen Profi, den man mal günstig und auf die Schnelle aufsuchen könnte.
    Ich habe mir als erstes das MEC Buch Air Rifle Shooting zugelegt, da sind sehr viele Anhaltspunkte drin, auf die man auch leicht selbst achten kann. zB allerlei Gewehreinstellungen, Gewichtsverteilungen im Stand, Bewegungsabläufe, Schussbilder etc.
    Dann kannst du die Fehlerquelle eigentlich auch selbst schon eingrenzen - ob das dann ohne fremde Hilfe zu korrigieren ist, ist natürlich ein andere Frage. Es kommen ab 370 schon wirklich feine Änderungen zum Tragen.

    Ich habe für mich einen Lehrgang mit A-Trainer gebucht. Ist allerdings erst im April.
    Einen Ein-Tages Lehrgang habe ich schon besucht, aber das ist mE zu kurz, um bei 12 Schützen von A-Z alles durchzugehen. Hat mich aber trotzdem weitergebracht.

    Das mit dem Trainingsumfang ist so eine Sache: wir haben einen LG Schützen im Verein, der trainiert überhaupt nicht und schiesst nur Wettkämpfe, aber die meist über 380. Ausnahmen bestätigen die Regel.
    Und wenn zB im Anschlag der Wurm irgendwo drin steckt, nützt auch das Training dieses Anschlages nichts - eher im Gegenteil.

    Grüße,
    Chross

  • Hallo Reini,

    vieles wurde oben schon geschrieben, ich geb mal dennoch ein wenig Senf dazu:

    Das häufige wechseln von Material bringt nichts,.. oder nicht viel, ausser Du bemerkst, dass an dem Gewehr etwas ist das Dir "zuwider" ist. Das wäre die Geometrie (wenn sie denn nur mit großem Aufwand anzupassen wäre) oder das Gewicht .. einschliesslich Verteilung (wenn es denn nur mit großem Aufwand anzupassen wäre).
    Oder halt,... Deine Klamotten passen nicht.
    Um zu beurteilen was bei Dir nicht so passt wären Schussbilder unabdingbar. Nicht immer aber sehr häufig kann man das ein oder andere aus den Schussbildern sehen. Interessant wäre auch Deine Leistungskurve..... erster zweiter dritter vierter Satz......

    Wirklich wichtig ist die Roboterartige wiederholung Deiner Schüsse.
    Typische Dinge die nicht so passen sind :
    die Visierung. Ringkornabstimmung und Adlerauge / Brille.....
    Höhe der Schaftbacke (sitzt die Backe nicht stramm unterm Jochbein verschenkst Du Zeit und Routine. Durchschaun und drin sein...nicht mehr die Visiermitte suchen).
    Höhe der Schaftkappe (hat auswirkungen auf Schwankungen, Armhaltung des Stützarms, gesamte Haltung ...)
    Länge des Schaftes...(zu kurz bedeutet verkrampfte Handhaltung rechts, ... zu lang ... passt halt auch nicht....)
    Grundgewicht des Gewehres. Ein paar gramm mehr oder weniger beeinflussen Deinen Muskeltonus.... also Checken welches Gewicht Dir am besten liegt.
    Gewichtsbalance. Viel Glück beim ermitteln..... nur die richtige Balance ermitteln kann 3 Monate dauern. Grundregel.... schwerpunkt kurz vor der Stützhand.... dann "zieht" sich der Lauf richtung Scheibe.... insgesamt wird aber die übliche Pendelacht kleiner. Nicht zu viel Gewicht vorn und hinten eher mittig und aus der mitte heraus arbeiten. Gewichte aussen (vorn und hinten)... hohe trägheit,... aber langes Pendeln.....Gewichte mittig ...richtiges Gewicht, wenig Trägheit ...kompakteres Gefühl. Ist aber von Schütze zu Schütze unterschiedlich. Grundegel nicht immer anwendbar.

    Tja,.... beim richtigen Stehen kann ich Dir nicht wirklich helfen......Bin halt Pistolereo.... :whistling: ...
    Meine Erfahrung sagt mir aber, dass ein Zelt gut steht, wenn die Abspannung schön angezogen ist. Übersetzt also... Nicht mit Muskelkraft den Körper halten, sondern die natürliche Muskel und Bänderlänge nutzen und sich quasi in die Bänder hängen und die Knochen als Stützgerüst nutzen. Mehr mit Eigengewicht arbeiten .......
    Fußstellung,... Nullpunkt......gerade bei Gewehr essentiell. Bei Pistole steh ich immer anders.....bei mir funktionierts aber.....

    Helfen würde mir wenn ich wüsste was Deine Visierung macht.....8er beschreiben,....rauf runter,......immer um die 10 rum,.....und die schussbilder dazu......

    Viel Spass beim Umsetzen.....

    Matze

  • Hier sind bisher richtig gute und hilfreiche Beiträge!

    Das häufige wechseln von Material bringt nichts,.. oder nicht viel

    Dem stimme ich zu, zumindest bringt es nichts, wenn es nicht über einen ausreichenden Zeitraum erprobt und das Ergebnis sorgfältig ausgewertet wird.

    Mir hilft dabei, dass ich über jeden Übungs-/Trainingstag einen "Tagebuch" führe und neben dem Ergebnis der Ring- und Schusszahl und des technischen Zustandes/Aufbau der Waffe und Bekleidung, auch meine physische und psychische Situation zu erfassen versuche und notiere.

    Dadurch bin ich in der Lage, Irrwege nicht zu wiederholen und Ergebnisse besser einzuordnen.
    Leistungsschwankungen sind mir bei aller Sorgfalt leider nicht unbekannt, Selbstzweifel als deren Folge leider auch nicht.
    Aber das macht unseren Sport durchaus auch ein wenig spannender, wenn man um das Erhoffte auch wirklich ringen muss.
    Joachim

    Stammschießen?
    Ich bin dabei!

  • Hallo,

    ich empfehle einen Trainer. Das muss gar nicht eine komplette wöchentliche Betreuung sein. Man kann beim DSB an einem Jedermann-Lehrgang teilnehmen und hat gute Aussicht, so viele Hinweise zu bekommen, dass man längere Zeit beschäftigt ist, die umzusetzen. Der Leistungswille ist ja da.

    Gruss, Marcos

  • Moin Reini,

    eventuelle Baustellen sind ja bereits genannt, deshalb frage ich einfach mal nach deiner Trainingsplanung und der Systematik bei Änderungen an Ausrüstung oder Abläufen.
    Soll heißen: trainierst du oder schießt du nur (mit der Absicht alles richtig zu machen)?

    Stefan

  • also möglichst nahe am Maximalwert der Steifigkeit sein.

    Gerade dies sehe ich zwecks Leistungssteigerung anders.

    Warum 380 Ringe? Schießen ist nicht das wichtigste im Leben. Spaß soll es machen.

    Nicht alle seine Fähigkeiten und Kräfte soll man sogleich und bei jeder Gelegenheit anwenden. - Baltasar Gracián

  • Hallo Reinhold,

    360 und 375 Ringen ( und die 70er ehr selten)

    meine erste Frage ist, wo schießt du das Ergebnis? Im Training oder im Wettkampf?
    Dein erstes Ziel sollte sein konstante Ergebnisse zu schießen und zwar im Training wie auch im Wettkampf. Die Ergebnisse sollten nicht weit auseinander liegen. Denn Trainingsweltmeister gibt es viele. Ich z.B. führe Buch und trage meine Werte in ein Diagramm ein. Die Kurven liegen nach einem Jahr Training recht nahe bei einander und werden langsam konstant.
    Dann sollte man sich in der zweiten Phase langsam steigern. Viele Schützen schießen viel zu ergebnisorientiert. Da werden jeden Dienstag die obligatorischen 40 Schuss gemacht und die Ringe ausgezählt. Dass man dann 20 Jahre lang immer 350 Ringe schießt, ist dann nur logisch. Versuche dich mehr auf den Ablauf zu konzentrieren und halte dein Training abwechslungsreich.
    Entscheidend ist auch Wettkampfroutine zu bekommen. Nimm jeden noch so kleinen Wettkampf mit. Auf den HP´s der Verbände gibt es oft Ausschreibungen zu diversen Pokalturnieren. Alleine durch die Routine wirst du dich steigern.
    Jetzt komme ich zu meinem letzten Punkt. Die Psychologie. Das Thema ist sehr komplex und wird oft vernachlässigt. Die richtige Einstellung/Motivation entscheidet in unserem Kopfsport gnadenlos über Erfolg und Niederlage! Hierzu würde ich dir raten ein Buch zu lesen oder einen erfahrenen Trainer, der sich damit auskennt, aufzusuchen.
    Leider haben nur die wenigsten das Glück einen guten Trainer zu haben.Dennoch denke ich, dass man mit gesunden Menschenverstand, einer gesunden selbstkritischen Haltung und Information, die man aufsammeln und auch verstehen muss, recht weit kommen kann.