1928 wurde im Reichswaffengesetz die drei Säulen des deutschen Waffenrechts erfunden, nach dem Attentat auf Walter Rathenau-
- Registrierung, um allen "Feinden" der Weimarer Republik die Waffen zu entziehen (insbesondere rechtsextreme Gruppen)
- Zuverlässigkeit, damit nur staatlich genehmen Bürgern („Berechtigten“) der Erwerb und Besitz von Schusswaffen erlaubt wird
- Bedürfnis für Waffenschein (d.h. nur für das Führen)
Nach der Machtübernahme entzogen die Nazis zunächst allen Juden, Homosexuellen und Staatsfeinden die Zuverlässigkeit. Dann wurden sie entwaffnet. Das konnten sie tun, weil die rechtstreuen Bürger vorher ihre Waffen haben registrieren lassen. Dann bewaffneten sie das "genehme" Volk: Langwaffen und Munition konnten frei erworben werden. Dann schafften sie das Bedürfnis für NSDAP, SS und die Führer der Hitlerjugend ab.
Wegen der RAF-Terroristen und Kriminellen, die sich bekanntermaßen an Waffengesetze halten, wurde 1972 der Privatwaffenbesitz reglementiert. Statt lediglich die Halbautomaten - wie in Neuseeland und Kanada - an die Kette zu legen, waren alle, auch vormals frei zu erwerbende, nicht-deliktrelevante Waffen betroffen durch:
- Meldepflicht = Registrierung
- Erwerbsscheine = Zuverlässigkeitsprüfung
- Regelkontingente für Bedürfnisse
Übrigens war Hamburg hier federführend: Das einzige Bundesland, in dem der Besitz einer Schreckschusswaffe vor 1972 an einen Erwerbsschein und Bedürfnis gekoppelt war.
Das Waffenrecht soll eine Balance zwischen innerer Sicherheit und Selbstschutz darstellen.
Es gibt zwei internationale rechtliche Prinzipien: die oberste Sorgfaltspflicht des Staates Schusswaffenmissbrauch durch private Besitzer zu verhindern und das Prinzip der Selbstverteidigung, das eine herausragende Stellung in den internationalen Menschenrechten einnimmt.
Dieses Recht auf Selbstschutz besitzen in der EU die Österreicher, die Tschechen, die Iren, die Kroaten und sogar die Nord-Iren (Teil von Großbritannien). Österreicher, Tschechen und Iren liegen im Internationalen Friedensindex weit vor Deutschland (Großbritannien weit hinter uns).
Der Staat hat dafür zu sorgen, dass kein unzuverlässiger Bürger an legale Schusswaffen kommt.
Dies macht er mit einer Zuverlässigkeitsprüfung.
Der Staat hat dafür zu sorgen, dass deliktrelevante Waffen, (Kurzwaffen, VA und HA) bestmöglich vor der Abwanderung in die Illegalität geschützt werden.
Dies macht er in vielen Ländern, in dem diese Waffen (jedoch nicht EL und Repetierer) registriert werden, in dem der Erwerber zeigen muss, dass er sie sicher aufbewahrt, in dem der Erwerber nachweisen muss, dass er die Sicherheitsbelange kennt, in dem ein Abhandekommen dieser Waffen höhere Strafen nach sich zieht und in dem er die Menge pro Bürger reglementiert. So agieren die meisten Rechtsstaaten, die das Small Arms Survey 2010 untersucht hat.
Mithilfe des "Bedürfnisses" erlauben sich jedoch viele Staaten, den Waffenbesitz von rechtstreuen, zuverlässigen Bürgern ohne Sicherheitsgewinn einzuschränken.
Mithilfe des "Bedürfnisses" schafft unser Staat es regelmäßig, die Waffenbesitzer zu entzweien
Wenn zwei sich streiten (Jäger-Sportschützen, KK-GK, Olympisch-Gebrauchswaffe), dann freut sich der Waffenreglementierer. Denn er kann die Gruppen gegenseitig ausspielen. Dies macht er seit 1972 regelmäßig bei jeder Waffenrechtsdebatte. (Das geschieht augenblicklich auch hier im Forum, weshalb ich mich überhaupt veranlasst sah, dieses Thema zu eröffnen.)
Zum Nachdenken:
1976 sollen u.a. über 6000 Vollautomaten per Meldeamnestie auf WBKs eingetragen worden sein.
Schon mal davon gehört, dass ein legaler VA-Besitzer diese missbräuchlich verwendet hat?
Seit 2003 sollen jährlich 6000 Anscheinswaffen (Halbautomaten mit militärischer Optik, d.h. schwarz, oft Teleskopschaft, mit Weaverrail-Vorderschäfte) verkauft worden sein.
Schon mal davon gehört, dass eine dieser 60.000 HAs missbräuchlich verwendet wurde?
In Berlin vermuten die Behörden im jährlichen Schnitt, dass 15 Bürger (0,15% aller Berliner Waffenbesitzer) kein Bedürfnis haben. In der Hälfte der Fälle können die Bürger dies nachträglich nachweisen.
Wieviel Ärger, Zeit und Kosten wenden Behörde, Besitzer, Verein, Rechtsanwalt und Justiz dafür auf? Welcher Nutzen für die innere Sicherheit wird dabei erreicht?
Blick über den nationalen Tellerrand: In New Jersey (einer der US-Staaten mit den strengsten Waffengesetz) muss der Antragsteller ein Bedürfnis nachweisen, bevor er eine Lizenz zum Führen einer Kurzwaffe erhält, sowie für den Erwerb, Besitz und das Führen von Maschinengewehren oder Angriffswaffen. Bestimmte Angriffswaffen werden akzeptiert, sofern der Zweck Sportwettkämpfe lautet und der Antragssteller Mitglied in einem Schützenverein ist und die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet ist.
Reglementierungen sollen die innere Sicherheit verbessern - nicht mehr und nicht weniger.
In diesem Sinne: Was haltet Ihr von Bedürfnisprüfungen?