Ich verstehe die Diskussion nicht wirklich.
Wenn jemand ein Gewehr kauft weiß er ja auch gleich was man darf und was nicht. Mit dem verkauften Material kann ich aber auch ganz einfach Nicht-Regelkonform arbeiten. warum gibts hier keine Probleme?
Das einzige was man einem Hersteller vorwerfen kann ist, dass sie einem nicht sagen das der Schuh eine Überlänge hat oder das es zu Komplikationen mit der Steifigkeit bzw. der Dicke bei Wasserdampf und Kälte kommen kann.
Um den Rest muss sich der Schütze selber kümmern.
Zum Thema Steifigkeit hier noch was von Christian Planer. Ebenso auf seiner Homepage zu finden.
15.08.2005
Fast hätte man den ganzen Rummel um die Regelerneuerung 2005 in Sachen Steifigkeitsmessung der Schießbekleidung vergessen…
Fast hätten wir Österreicher unseren Mannschaftseuropameistertitel im 3 x 40 in überlegener Manier verteidigt…
…wären wir nicht am 10. Juli bei den Europameisterschaften in Belgrad disqualifiziert worden.
Der 10. Juli chronologisch aufgelistet:
ca. 12:05 Uhr – Ich hatte meinen letzten Schuss im Kniendanschlag absolviert. Gleich im Anschluss informierte mich unser Betreuer über den Stand der Dinge: „Mario 1171 Ringe, Thomas 1170 Ringe, wahrscheinlich seid ihr Mannschaftseuropameister“
ca. 12:15 Uhr – Es stand fest, wir haben mit 1504 Ringe zwar knapp unseren eigenen Weltrekord verfehlt, jedoch mit 7 Ringe Vorsprung auf Russland gewonnen. Es war Perfekt, wir wurden unserer Favoritenrolle gerecht und feierten deshalb schon ein wenig vor.
ca. 12:30 Uhr – Nachdem ich mein Kleinkaliber versorgt und meine Ausrüstung verstaut hatte, ging ich vor ins Restaurant, um mir mein wohlverdientes Cola light zu genehmigen.
ca. 12:50 Uhr – bekam ich die Nachricht über Schwierigkeiten von Thomas bei der Nachkontrolle. Da ich wusste, dass er noch nie Probleme mit seiner Ausrüstung hatte, machte ich mir nicht wirklich Sorgen. Um mir ein Bild darüber zu machen, ob ich jetzt ein Opfer eines Scherzes sei oder nicht, ging ich doch noch zur Bekleidungskontrolle.
ca. 12:55 Uhr – Eintreffen an der Ausrüstungskontrolle.
Tatsächlich, Thomas an der Kontrolle.
20 min. Diskussionen, die mit den Worten:“ Was machen wir Thomas? Die Russen schauen mir zu, ich kann dich nicht gut durchlassen…“ eines verantwortlichen Jurymitglieds beendet wurden. Die Jury zog sich zur Beratung zurück, Thomas wartete auf einen ordnungsgemäßen Bescheid und ich begab mich wieder auf den Schießstand um meine Ausrüstung Flugtauglich zu machen.
ca. 13:35 – Uhr Thomas Farnik war auf der Liste der Finalteilnehmer nicht zu finden. Anscheinend hatte man ihn disqualifiziert und wahrscheinlich unsere Mannschaft noch dazu. Thomas selbst wartete immer noch bei der Bekleidungskontrolle auf einen klaren Entscheid…
Wären mir an dieser Geschichte nur ein oder zwei Kleinigkeiten Suspekt, würde ich sagen, dass Thomas die Verantwortung für unsere Disqualifikation tragen müsse und der Inhalt meiner fünften Kolumne würde in eine andere Richtung steuern. Je mehr ich aber darüber nachdenke, mit anderen Personen darüber spreche und mir die verschiedensten Informationen zusammen trage, wird mir klar, dass sehr viele Sachen nichts mit professioneller Arbeit hinter den Kulissen zu tun hat.
Es gibt meiner Ansicht nach 3 verschieden Hauptansätze, die unsere Disqualifikation in Frage stellen.
Regelwerk, Übergangsbestimmung und Auslegung:
Laut den ISSF Reglement 2005-2008 sollte eine Regelkonforme Messung wie folgt ablaufen:
Falls bei einem Bekleidungsstück nicht bereits bei der ersten Messung der Wert von 3,0 mm oder darüber erreicht wird, muss die betreffende Jacke oder Hose für einen Zeitraum von 5 Minuten bis zur nächsten Messung abgelegt werden. Während dieser Zeit darf das Bekleidungsstück nicht den Kontrollraum verlassen und eine Bearbeitung des Materials, die nur eine vorübergehende Erweichung erzielt, ist ebenfalls nicht gestattet. Wird der Mindestwert auch bei der zweiten Überprüfung nicht erreicht, kommt es nach wiederum 5 Minuten Pause zur dritten und letzten Messung, die bei einem Ergebnis von 2,9 mm und darunter eine Disqualifikation nach sich zieht.
Jedoch gibt es eine Veröffentlichung seitens der ISSF mit der Überschrift „A Special Report – New Rifle Shooter Clothing Testing Procedures“ in der das Kontrollprozedere für die Übergangsperiode, die mit Anfang des Jahres 2005 bis zum Weltcup-Finale München Ende August 2005 definiert ist, beschrieben wird. Dieses „Special Equipment Control Rifle Clothing Testing Procedures“ sollte dem internationalen Verband helfen Erfahrungen zu sammeln und uns Schützen die Chance geben unsere Ausrüstung auf das neue Reglement abzustimmen.
Da die Bekleidung von Thomas bei der Kontrolle vor dem Wettkampf für in Ordnung befunden wurde, ist aus der Übergangsbestimmung leider nicht klar zu erkennen, wie das Reglement in seinem Fall und unserer Mannschaft zu handhaben gewesen wäre. Klar ist aber, wie ihr am unten angeführten Auszug erkennen könnt, dass unserer Disqualifikation nicht unbedingt dem Wunsch der ISSF und dem Sinn einer sportlichen Lösung nachgekommen ist.
o Punkt 2: Wenn die Bekleidung eines Schützen anhand der Überprüfung für zu Steif befunden wird, darf dieser eine Ersatzbekleidung zur Kontrolle vorlegen.
o Punkt 3: Fällt bei der Bekleidungskontrolle die Erst- und Ersatzausrüstung durch, wird der Schütze schriftlich verwarnt. Darf aber am Wettkampf teilnehmen.
o Punkt 5: Steigt ein Schütze, der bereits schriftlich Verwarnt wurde, ins Finale auf, muss dieser mit seiner Bekleidung zur Nachkontrolle. Wird die Bekleidung bei der Nachkontrolle für in Ordnung befunden, darf der Schütze im Finale antreten.
o Punkt 6: In diesem Punkt wird beschrieben, dass ein Schütze, der die Nachkontrolle nicht besteht, aus dem Wettkampf genommen wird und nicht am Finale teilnehmen darf, so wie es mit Thomas geschehen ist. Es geht aber nicht heraus, ob der Schütze im Vorhinein schriftlich verwarnt worden sein muss (Was bei Thomas nicht der Fall war), oder die Disqualifikation auch ohne Verwarnung gültig ist.
o Punkt 7: Von Seiten der ISSF bleibt es den kontinentalen Verbänden überlassen wie dieses Prozedere bei Teamentscheidungen während einer kontinentalen Meisterschaft gehandhabt wird.
Da bleibt die Frage: Hat sich die ESC schon vor der Europameisterschaft Gedanken darüber gemacht ob eine Mannschaft wegen eines Regelverstoßes eines Einzigen disqualifiziert werden soll, oder wurde von der Jury vor Ort aus dem Bauch heraus entschieden??? und sind dann die Jurymitglieder, die eventuell aus dem Bauch heraus entscheidet, auch gleichzeitig der kontinentale Verband, in unserem Fall die ESC???
o Punkt 9: Ab dem Weltcup-Finale 2005 wird von der Übergangsregelung Abstand genommen und es werden keine schriftlichen Verwarnungen mehr ausgestellt.
Weder im Regelwerk 2005-2008 der ISSF, oder in veröffentlichten Schreiben, die sich auf die Regelerneuerungen 2005 beziehen, ist eine klar definierte Zeitdauer einer einzelnen Steifigkeitsmessung zu finden. Normalerweise stellt eine genormte Messdauer bei einer Materialprüfungen eine wesentliche Einheit dar, doch wird in unserer Angelegenheit immer nur davon gesprochen, dass ein Prüfgewicht mit einem genormten Dorn langsam auf die Prüfflächen abzulassen ist und es dem Messgerät gestattet werden soll, sich eine weile setzten zu lassen… ??? Was nichts anderes bedeutet, dass es in manchen Fällen der Willkür des zuständigen Kontrollierenden überlassen bleibt, ob die Ausrüstung eines Schützen die Materialprüfung nun besteht oder nicht. Auf keinem Fall möchte ich den Kampfrichtern einen Hang zur Gehässigkeit in diese Richtung aussprechen, im Gegenteil, ich habe es noch nie erlebt, dass jemand auf diese Art und Weise geschnitten wurde. Was ich aber hier festhalten möchte, ist, dass eine genormte Messdauer einer einzelnen Messung für ein kontinuierliches und faires Kontrollprozedere unumgänglich ist, und wer weiß was geschehen wäre, hätte die Messung bei Thomas 10 Sekunden länger gedauert.
Äußerst unprofessionell empfinde ich die Tatsache, dass während einer Nachkontrolle weder ein Protokoll über die Messungen geführt wird, noch das Messgerät die vorherigen Werte abspeichert. Bei eventuellen Streitigkeiten ist es unmöglich den genauen Ablauf einer Kontrolle nachzuvollziehen.
Weiters aus einem Schreiben der ISSF (Guidelines for uniform equipment control), und einer Veröffentlichung im UIT Journal 6/96, geht unter 3.6. eine Anweisung hervor, die effiziente und gleich bleibende Messwerte garantieren soll. Unter Punkt 2 ist zu finden, dass die Bekleidung von außen nach innen gemessen werden muss…
Bei Thomas wurde die ganze Zeit von innen nach außen gemessen!!!
Messgerät:
In unserem Sport kann man Erfolge zwar nur in Taschengeld ummünzen und dadurch höchstens seinen Sport finanzieren, doch sollte die sportliche Ehre Grund genug sein, dass alle verwendeten Steifigkeitsprüfgeräte nicht nur von der ISSF genehmigt, sondern auch zusätzlich von staatlich beeideten Prüfanstalten geeicht und mit einem Zertifikat versehen werden.
Selbst wenn alle Geräte geeicht sind, verlieren die Zertifikate meines Erachtens an Bedeutung, sobald die Geräte einmal zerlegt, oder sogar Eigenständig abgeändert worden sind, und diese nicht einer neuerlichen Überprüfung einer unabhängigen Institution unterzogen wurden. Die Anfälligkeit dieser Maschinen wurde schon öfters unter Beweis gestellt. Einmal anhand von Fotos, die Kampfrichter an der EM in Belgrad zeigen während sie, aus welchem Grund auch immer, das Steifigkeitsprüfgerät zerlegten. Und weiters mit einer kleinen Geschichte die sich beim Weltcup in Fort Benning zugetragen hatte.
Ein Teammitglied unserer Mannschaft wusste, dass seine neue Bekleidung sehr am Limit war und ging mit diesem Wissen zur Bekleidungskontrolle. Bei den Messungen brachte das Prüfgerät durchwegs Werte unter 2,0 mm zu Tage. Der Schütze fackelte nicht lange herum und schnitt bei Jacke und Hose das komplette Innenfutter heraus. Trotz der permanent Veränderung seiner Bekleidung, die mit Steif nichts mehr zu tun hatte, stellte sich am Prüfgerät fast das gleich Bild ein: Werte um 2,0 mm. Das ganze österreichische Team half zusammen, wir klopften und rieben seine Ausrüstung weicher. Bei der dritten Messung kam er gerade so durch. Zwei Tage später musste er zur Nachkontrolle, die Werte: 5,0 mm, 6,0 mm und sogar weicher. Auf seine Frage, weshalb er am ersten Tag gerade so durchgekommen ist und sich die Werte so drastisch verändert haben, bekam er vom Kampfrichter folgende Antwort: „Er dürfe es eigentlich nicht weitersagen, doch an diesem besagten Tag mussten sie feststellen, dass kleine Steinchen im Gehäuse verhinderten, wahrheitsgemäße Werte wiederzugeben“… ca. € 1.000,- Schaden
Ein weiteres Beispiel, diesmal als Beleg für die Messunterschiede von Prüfgerät zu Prüfgerät.
Ein anderes Mitlied der österreichischen Nationalmannschaft legte sich kürzlich eine neue Schießbekleidung von einer Schweizer Firma zu. Diese Firma kontrolliert seine Produkte mit einem Gerät desselben Herstellers der auch die ISSF beliefert. An der Bekleidungskontrolle in Belgrad angekommen musste auch er seine Jacke und Hose zerschneiden… wieder ein Schaden von ca. € 1.000,-
Wieso diese Unterschiede zwischen den Steifigkeitsprüfgeräten bestehen und es manchmal zu Störungen in der Messmechanik kommt, konnte mir der Hersteller dieser Messgeräte eindeutig beantworten.
Die Wichtigste Information für mich war, dass der Aufbau des Messgerätes immer derselbe ist, es aber zwei Generationen mit unterschiedlicher Ausführung gibt. In der ersten Generation versuchte er das Steifigkeitsprüfgerät so zu bauen, dass es so gut wie möglich den von der ISSF genormten Abmessungen entspricht. Als bekannt wurde, dass obwohl der Messkopf genau den vorgeschriebenen 1000 g Gewicht entspricht, jedoch wegen der Reibung und des Gegendrucks der Feder, welche den Messfühler oben hält, keine tatsächlichen 1000 g Messdruck nach unten ausgeübt werden, verfeinerte er seine Konstruktion. Somit misst die neue Generation mit fast 100% des 1000 g schweren Prüfkopfs und im Zuge dessen wurden auch die Messstörungen ausgemerzt. Um Messunterschiede zu vermeiden, empfahl der Hersteller der Steifigkeitsprüfgeräte noch vor der EM in Belgrad mittels eines Schreibens an die ISSF, nur noch die neuen Geräte zu verwenden.
Gleichbehandlung der Sportler?
Ein Fall, in den es darum geht, wie Schützen unterschiedlich behandelt wurden ist allein schon mir bekannt. Wer weiß, wie viele Zwielichtigen Situationen es tatsächlich schon gegeben hat….
Beispiel einer Bekleidungskontrolle vor dem Wettkampf:
Die erste Messung eines Schützen ergab 2,5 mm, bei der zweiten Messung waren es sogar nur noch 0,9 mm. Für die dritte Messung wurde ein Jurymitglied geholt der die letzte Messung beaufsichtigte. Wieder wurde nicht der Mindestwert von 3,0 sondern nur 2,8 mm erreicht. Der Schütze wurde nicht mit einer schriftlichen Verwarnung versehen und mit den Worten: „Wir wissen ja das wir hier eine hohe Luftfeuchtigkeit haben, das passt schon“ für den Wettkampf zugelassen….
Resümee:
Ich bin nicht beleidigt weil ich in Belgrad keine Medaille erringen konnte, als Sportler lernt man auch Niederlagen zu verarbeiten, man darf aber die momentane Form der österreichischen Schützen nicht als selbstverständlich hinnehmen und eine schon fast in Händen gehalten Medaille verschenken. Jede Medaille an einem internationalen Großereignis stellt für jeden Sportler ein großes Erlebnis in seinem Leben dar. Allein der Gedanke an die Ungerechtigkeiten die uns widerfahren ist und mit welcher Unbekümmertheit so mancher Verantwortlicher aus den Funktionärsriegen seine Arbeit vollbringt und somit die Investitionen in Material und Zeit, Bemühungen und hartes Training eines jeden Sportlers zunichte machen kann, bereitet mir schlaflose Nächte…
Euer Christian