Entnommen aus den Mitteilungen des Bundestages:
Hybride Mitgliederversammlungen von Vereinen
Recht/Ausschuss - 30.11.2022 (hib 699/2022)
Vereine sollen künftig ihre Mitgliederversammlungen grundsätzlich in hybrider Form durchführen können. Entsprechende Vorschläge der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, des Bundesrates sowie der CDU/CSU-Fraktion waren am vergangenen Mittwoch Gegenstand einer öffentlichen Anhörung. Die Koalitionsfraktionen haben ihren Vorschlag als Änderungsantrag zum Gesetzentwurf des Bundesrates (20/2532) formuliert. Gegenstand der Anhörung ist zudem ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion (20/4318). Der Entwurf entspricht in der Ausgestaltung der Regelung des Entwurfs der Länderkammer.
Die von der Koalition vorgeschlagene Regelung weicht vom Vorschlag des Bundesrates und der Union ab. So soll mit einem neuen Absatz 2 in Paragraf 32 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt werden, dass Mitglieder an Versammlungen auch „im Wege der elektronische Kommunikation“ teilnehmen und ihre Mitgliedsrechte ausüben können. Bundesrat und Union schlagen hingegen vor, die Teilnahme und die Ausübung der Mitgliedsrechte „im Wege der Bild- und Tonübertragung“ zu ermöglichen. Darin sehen die Koalitionsfraktionen laut Änderungsantrag eine unnötige Einschränkung der Möglichkeit zur virtuellen Teilnahme. Vielmehr sollen auch Teilnahme und Ausübung via Telefonkonferenz, Chat oder E-Mail möglich sein, wie es auch die Ausnahmeregelungen während der Corona-Pandemie vorgesehen hätten.
Anders als Bundesrat und Union soll die Regelung der Koalitionsfraktionen zudem nicht auf Mitgliederversammlungen, die vom Vorstand einberufen werden, beschränkt sein. Wie die Fraktionen ausführen, ist es auch möglich, dass eine Vereinssatzung andere Einberufungsformen beinhaltet oder die Versammlung durch Mitglieder einberufen wird. Anders als in den Ausnahmeregelungen wollen sowohl Bundesrat und Union als auch die Koalitionsfraktionen festhalten, dass Mitglieder nicht verpflichtet werden können, nur virtuell an der Versammlung teilzunehmen.
Wie die Koalitionsfraktionen ausführen, sind sowohl der bestehende Paragraf 32 als auch der vorgeschlagene neue Absatz dispositiv ausgestaltet. Das heißt, dass Vereine in ihren Satzungen schon jetzt die virtuelle Teilnahme an Versammlungen festschreiben können und künftig auch abweichende Regelungen von der neu vorgeschlagenen Regelung festhalten dürfen.
Mit den Änderungen gegenüber dem Entwurf des Bundesrates übernehmen die Koalitionsfraktionen Vorschläge aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Entwurf. Die Bundesregierung hatte eine alternative Formulierung des Paragrafen vorgeschlagen, um auch andere Formen der elektronischen Kommunikation zuzulassen.
Aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Magnus Habighorst von der Humboldt-Universität zu Berlin sind beide Ansätze begrüßenswert. Vorzugswürdig sei der Vorschlag der Koalition, da dieser sich unter anderem durch Technologieoffenheit auszeichne. In der schriftlichen Stellungnahme führte Bachmann zudem an, dass diese Lösung nicht nur den Vorstand ermächtige, hybride Versammlungen einzuberufen. Die Regelung greife über Verweise zudem für Vorstands-sitzungen. Bachmann verwies zudem darauf, dass beide Entwürfe dem Vorstand nicht erlaubten, eine reine virtuelle Mitgliederversammlung abzuhalten. Damit bliebe der Entwurf hinter dem Genossenschaftsrecht zurück, decke sich aber mit dem Recht von Wohnungseigentümerversammlungen und Aktien-gesellschaften. „Als gesetzliches Auffangmuster überzeugt das, weil die rein virtuelle Versammlung Teilnahmemöglichkeiten beschneiden“, argumentierte der Rechtswissenschaftler in der Stellungnahme. Vereine, die rein virtuelle Mitgliederversammlungen ermöglichen wollten, könnten dies über eine Satzungsänderung tun.
Aus Sicht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DSOB) sollte es indes „im pflichtgemäßen Ermessen“ des Einberufungsorgans stehen, ob eine Versammlung in Präsenz, hybrid oder virtuell stattfindet, wie der Justiziar des DSOB, Hendrik Pusch, ausführte. Grundsätzlich unterstützte Pusch den Vorschlag der Koalitionsfraktionen, schlug aber eine alternative Formulierung vor, die auch eine Verpflichtung der Mitglieder zu einer virtuellen Versammlung vorsieht.
Für den Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. forderte Verena Staats ebenfalls die Möglichkeit im Vereinsrecht, rein virtuelle Versammlungen einberufen zu können. Sie wies darauf hin, dass bei Stiftungen Satzungsänderungen wesentlich aufwendiger sind als bei Vereinen. Die vorgesehenen Regelungen im Entwurf des Bundesrates beziehungsweise der Unionsfraktion griffen zu kurz, böten zu wenig Rechtssicherheit und Flexibilität. Neben der Möglichkeit zu rein virtuellen Versammlungen forderte Staats - wie im Koalitionsvorschlag vorgesehen - eine Erweiterung auf alle Formen der „elektronischen Kommunikation“ sowie eine gesonderte Berücksichtigung von Stiftungen in der Gesetzesbegründung.
Der Bundesbeauftragte für Vereinsrecht der DLRG - Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V., Jürgen Wagner, stellte dar, dass die DLRG schon vor der Pandemie damit begonnen habe, hybride und rein virtuelle Versammlungen in die Satzungen der Gliederungsebenen zu schreiben und einheitlich in der DLRG umzusetzen. Wagner unterstützte grundsätzlich den Koalitionsvorschlag, aber sprach sich ebenfalls dafür aus, dass auch rein virtuelle Versammlungen möglich sein sollten. Um klarzustellen, dass diese Möglichkeiten auch für Vorstandssitzungen gelten, schlug er eine Präzisierung im Gesetzestext vor.
Dieser Forderung hielt die Rechtswissenschaftlerin Professorin Birgit Weitemeyer von der Bucerius Law School in Hamburg entgegen, dass dieser Umstand schon über entsprechende Verweise im BGB und zusätzlich in der Gesetzesbegründung stehe. Sie forderte wie DSOB-Vertreter Pusch, die Wahl des Versammlungsformates in das „pflichtgemäße Ermessen“ des Vorstands zu stellen und auch die rein virtuelle Versammlung zu ermöglichen. Damit würden
auch Mitgliederrechte nicht in relevanter Weise eingeschränkt. „Denn die digitale oder hybride Teilnahmemöglichkeit birgt gleichermaßen Vor- wie Nachteile, die der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Umständen des jeweiligen Vereins abzuwägen hat“, führte die Rechtswissenschaftlerin in ihrer
Stellungnahme aus.
Die Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, Katarina Peranić, ließ sich allgemeiner zum Thema Digitalisierung und Ehrenamt ein und berichtete von Herausforderungen in der Praxis. Sie schlug über die Möglichkeiten digitaler Versammlungen hinaus vor, auch gesetzlich klarzustellen, dass Einladungen zu diesen Versammlungen auch per E-Mail erfolgen dürfen und nicht nur in klassischer Schriftform.
Die hib-Meldung zum Entwurf des Bundesrates: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-903570
Die hib-Meldung zum Entwurf der Unionsfraktion: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-920320